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Biegen und Flechten was published in Werde Magazine, Ausgabe 4/2020.

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Words by Dörte de Jesus, photography by Anna Rosa Krau.

„In meinem täglichen Leben übe ich mich in Fähigkeiten und Fertigkeiten für ein selbstbestimmtes Leben. Ich benutze das Korbflechten als ein Ritual, um mich an die Kraft der Langsamkeit zu erinnern und ein Gleichgewicht in meinem Leben herzustellen.“

– Evey Kwong

Die Berliner Designerin Evey Kwong flechtet weit mehr als nur Körbe. Durch gestalterische Experimente im Zusammenspiel mit der Natur und auf (anthropologischen) Forschungsreisen in die Gemeinschaft der Korbflechter geht sie dem ungezähmten Geisteszustand im kreativen Schaffensprozess auf den Grund.

„Jedes Wochenende bin ich ins Berliner Umland gefahren, um etwas über Pflanzen zu lernen und zu schauen, mit welchen Arten ich arbeiten kann. Ich war ganz schön stur“, erzählt Evey Kwong lachend. Das war ganz am Anfang vor nun fast vier Jahren, als sie die Korbflechterei für sich entdeckte. Zunächst war sie allerdings auf der Suche. Da war das Gefühl, dass ihr Leben ein Eintauchen in die Langsamkeit brauchte: „Ich wollte mich verstärkt in das ‘wirkliche’ Leben vertiefen, den Geschichten von Menschen auf dem Land, von Handwerkern und Bauern, lauschen und Anteil an ihnen nehmen. Ihre Geschichten interessieren mich sehr, weil sie mit ihren Sinneserfahrungen arbeiten. Für mich sind es sehr wertvolle Erfahrungen, die ich lange Zeit in meinem eigenen Dasein vermisst habe.“ Sie probierte sich zunächst im Töpfern, begleitete Pflanzenkundler und übte sich im Herstellen von Tinkturen, bis sie ihr Weg allmählich zum Korbflechten führte.

Evey Kwong lebt im pulsierenden Wedding, einem Innenstadtbezirk im Stadtdschungel Berlins. Ihre Wohnung in einem Apartmentblock aus der Nachkriegszeit strahlt Ruhe aus und wirkt wie ein sehr spezialisiertes Hausmuseum. An den Wänden hängen Schätze von ihren vielen Reisen, Körbe und Korbflechtereien, die sie von ihren Exkursionen und Forschungsaufenthalten in Kalimantan, Spanien, Schottland und Süddeutschland mitgebracht hat sowie eigene Arbeiten. Sie schenkt gekühlten Sencha-Tee in filigrane Glastassen und erzählt, was sie am Korbflechten schätzt: „Ich gelange in einen Geisteszustand, in dem ich mich nur auf eine Aufgabe konzentriere und nicht auf viele andere Aufgaben auf einmal. Für mich ist diese geistige Fokussierung sehr therapeutisch. Deshalb habe ich auch mit dem Korbflechten begonnen.“

Wenn Evey nicht im Wedding arbeitet, ist sie gerne in Lübars, wo auch ihre Beschäftigung mit der Korbflechterei ihren Anfang nahm. Lübars ist das älteste Dorf Berlins. Es liegt am Rande der Stadt und wirkt wie aus der Zeit gefallen. Nur zehn Kilometer und doch eine ganz Welt trennt die dörfliche Siedlung, in der auch heute noch Landwirtschaft betrieben wird, vom Zentrum der Metropole. Umgeben von weiten Feldern und dem Tegeler Fließtal findet man hier noch eine erhaltene Dorfstruktur mit einer barocken Dorfkirche im Mittelpunkt. Rund um Lübars startete Evey mit ihren Erkundungstouren und Material-Experimenten: „Ich machte mich auf die Suche und probierte aus, mit welchen Pflanzen ich gut arbeiten und was ich mit den verschiedenen Zweigen und Baumrinden herstellen kann.“ Doch nach einer Weile stieß sie an ihre Grenzen, geeignete Materialien zu finden und beschloss zunächst, bei erfahrenen Korbflechtern in die Lehre zu gehen.

Ihre prägendsten Erfahrungen machte sie hierbei auf Reisen und lernte schnell die Offenheit und den Gemeinschaftssinn der Korbflechter schätzen. „Eines der Aspekte, der mich am Korbflechten fasziniert, ist die Arbeit in einer Gemeinschaft. Wenn man flechtet, dann geschieht das traditionell meist in einer Gruppe von Menschen. Für mich hat das etwas sehr Besonderes, denn es werden Geschichten vom Leben ausgetauscht.“ Jede neue Reise führte zu neuen Begegnungen und öffnete neue Horizonte. Evey ist beeindruckt, wie offen die Korbflechter ihr Wissen teilen: „Jede Reise, die ich antrat, führte zu etwas Größerem. Ein Korbmacher wurde mir von einem anderen Korbmacher weiterempfohlen. In der Welt des Handwerks finden sich Großzügigkeit und Bescheidenheit.“ Das gemeinsame Interesse an einem immer seltener werdendem Handwerk verbindet. Auch nach ihren Reisen bleibt sie mit vielen von ihren Lehrmeistern in Kontakt, häufig entstehen Freundschaften: „Als tiefster Eindruck bleibt mir, dass ich mit jeder Reise innige und dauerhafte Beziehungen geknüpft habe.“ So erzählt sie von ihrem Lehrmeister aus Spanien, der bereits als junger Mann beschloss, aus seiner Heimatstadt Madrid fortzuziehen. Er sah für sich keine Zukunft in der Großstadt, der Trubel war ihm zu viel. Und mit dem Umzug begann dann auch seine Beschäftigung mit dem traditionellen Handwerk. Eveys Frage, ob er sich nicht etwas fern fühlt von den Geschehnissen, die in der Stadt und in der Welt passieren, verneinte er. Ganz im Gegenteil glaubt er fest daran, dass seine Arbeit Menschen aus der Stadt anzieht und dass viele Menschen heute eine große Sehnsucht haben, zu ihren Wurzeln zurückzukehren und sich zu erden.

„Eines der Dinge, die ich am Korbflechten am meisten mag, ist dieses sehr sinnliche und wesentliche Gefühl, etwas zu erschaffen. Natürlich haben wir oft einen Lehrer, der uns das Flechten beibringt. Aber es gibt auch diese Gemeinsamkeiten zwischen den Kulturen, die eine Wirkung haben, selbst wenn wir die Sprache der Person, die uns unterrichtet, nicht verstehen“, erzählt Evey. Am meisten beeindruckten sie die Erfahrungen, die sie in Kalimantan sammelte, dem indonesischen Teil der Insel Borneo im Zentrum des Malaiischen Archipels im Pazifischen Ozean. Hier traf sie auf Menschen, für die das Handwerk nicht nur ein Beruf war, sondern ihr gesamtes Leben prägte und das Wissen von Generation zu Generation durch Beobachtung und Nachahmung weitergereicht wurde. Viele der Korbflechter erlernten das Handwerk in Gemeinschaft und ohne einen direkten Lehrer. Sie erinnert sich: „Wenn ich ein indigenes Dorf besuchte, konnte ich mit den Menschen vor Ort nicht mit Worten kommunizieren. Nur das Handwerk an sich kommunizierte miteinander. Allein durch das Beobachten von Handbewegungen und durch Augenkontakt entstand eine Verbindung und wir traten in eine Beziehung miteinander ein. Das fand ich sehr interessant.“

Auch die Körperhaltung der Korbflechter nahm sie auf ihren verschiedenen Reisen sehr bewusst wahr. Sie erklärt, dass das Korbflechten ein Handwerk ist, das den gesamten Körpereinsatz verlangt und erzählt davon, dass die Korbflechter in den indigenen Gemeinschaften auf dem Boden arbeiten, weil sich der Boden durch seine Ebenerdigkeit gut für diese Art der Arbeit eignet. Die Arbeit an Tischen ist hingegen durch eine Beschränkung der Sichtebene und eine Begrenzung der Bewegungsfreiheit denkbar ungeeignet. Es ist das Zusammenspiel von Händen und Körper, das das Korbflechten auszeichnet. „Wenn wir eine geflochtene Form bearbeiten und Druckkraft auf sie ausüben, spüren wir diese Spannung auf das Material gleichsam auch als innere Anspannung in unserem Körper. Es entsteht eine Art symbiotische Beziehung“, beschreibt es die Designerin. „Selbst wenn wir eine Vision von einer Form haben, ist es noch lange nicht sicher, dass wir sie auch erschaffen können. Erst dadurch, dass wir Druck auf das Material ausüben, den Druck erhöhen und wieder abschwächen, tasten wir uns allmählich an die Form heran, die uns vorschwebt. Korbflechten ist in dieser Hinsicht vielleicht dem Töpfern ähnlich. Erst durch die Erfahrung lernen wir, die Formgebung zu kontrollieren.“

Evey Kwong ist als Stadtkind in Kuala Lumpur aufgewachsen, der Hauptstadt von Malaysia, und lebt inzwischen seit dreizehn Jahren in Berlin. Die tropischen Wälder ihrer Heimat nahm sie lange Zeit als bedrohlich wahr. Das waren Orte, in denen Schlangen, Spinnen und gefährliche Tiger lebten. Wenn sie heute zurück in ihre Heimatstadt kommt, sieht sie die Natur mit anderen Augen. Durch die Korbflechterei hat sie die Wälder kennen und schätzen gelernt. Die Entfremdung vom Menschen zu seiner natürlichen Umwelt betrachtet sie mit Sorge. „Wenn wir etwas nicht kennen, entwickeln wir Ängste. Vor dem, was für uns unsichtbar ist oder was sich im Wald verbergen könnte.“ Das essenzielle Problem besteht für sie darin, „dass wir als Menschen unsere Sinne für die Natur verloren haben und dass wir aus diesem Grund nicht mehr harmonisch mit ihr und als Teil von ihr leben können.“ Diese Entfremdung nimmt sie auch in ihrem eigenen Leben wahr. Seit vielen Jahren verdient sie ihren Lebensunterhalt als freiberufliche Grafik- und UX-Designerin. Und obwohl auch diese Form von kreativer Arbeit eine ästhetische Dimension beinhaltet, spürt sie ihre Beschränkungen. „Manchmal fühle ich mich wie eine Maschine, die eine Maschine bedient. Auf eine Art entmenschlicht mich meine Arbeit.“ Sie ist überzeugt davon, dass wir Menschen unsere natürliche Umwelt zerstören, weil wir ihre Wirkungskraft nicht mehr kennen und daher auch nicht wertschätzen. In ihrer Arbeit geht es ihr darum, einen Bezug zur Natur aufzubauen und Empathie und Respekt für sie zu entwickeln. Die Korbflechterei hilft ihr dabei: „Korbflechten ist für mich ein sehr Natur-basiertes Handwerk und daher auch ein Handwerk, dem eine besondere existentielle Bedeutung innewohnt.“

Obwohl sich Evey bescheiden selbst noch als Novizin im Korbflechten bezeichnet, rief sie 2018 die Initiative futurprimitiv ins Leben. Sie entwickelt experimentelle Lehrformate, die auf ihren Forschungsreisen basieren und unterrichtet seit 2019 eigene Workshops, in denen sie die Erfahrung von Naturverbundenheit und intuitivem Arbeiten weitergibt. Sie erzählt: „Ein Freund hat mich überzeugt, meinen ersten Workshop zu veranstalten und die vielen positiven Reaktionen haben mich sehr überrascht. Die Kursteilnehmer waren so glücklich damit, wie ich auf unkonventionelle Weise unterrichtet habe.“ Ihr erster Workshop mit dem Titel „Gefundenes Flechten“ fand im Galerie- und Projektraum Löwenhaus im Künstlerdorf Gerswalde in der Uckermark statt, eine gute Autostunde nördlich von Berlin entfernt. Evey erinnert sich: „Die Menschen kamen aus allen Lebensbereichen. Viele von ihnen hatten keine Erfahrung im Handwerken oder in der manuellen Arbeit. Und natürlich hatten sie noch keine Ahnung von den speziellen Handtechniken des Korbflechtens. Ich habe den Workshop dann so gestaltet, dass ich mit ihnen darüber gesprochen habe, was in der Natur verfügbar ist und ihnen Bilder zur Inspiration gezeigt habe, was man aus diesen Materialien fertigen kann.“ Sie begleitete die Kursteilnehmer zunächst auf einem Streifzug durch die Natur, teilte mit ihnen ihr Wissen über die Pflanzenwelt und zeigte ihnen, welche Pflanzen sich zum Flechten eignen. Mit den gesammelten Materialien kehrten sie dann ins Studio zurück, wo sie ihnen die Grundtechniken des Korbflechtens vermittelte und sie anregte, eigene Experimente zu wagen. Am Ende des Workshops war sie selbst von den vielen kreativen Umsetzungen überrascht: „Es war eine große Überraschung für mich, dass sich Menschen, die kaum über handwerkliche Fähigkeiten verfügten, etwas so Brutalistisches, Skulpturales und Schönes einfallen lassen konnten.“

Während in traditionellen Workshops der Schwerpunkt auf das Erlernen von Techniken gelegt wird, stehen bei Evey Kwong gestalterische Experimente und ein sinnlich-haptisches Eintauchen in den kreativen Schaffensprozess im Vordergrund. Ihre Workshops sind ortsgebunden und basieren auf Improvisationen mit begrenzten Rohstoffen. Gearbeitet wird mit Pflanzen, die in der unmittelbaren Umgebung gefunden werden können. „Ich finde diesen Ansatz so interessant, weil wir hierbei viele fehlgeschlagene Versuche, aber gleichzeitig auch viele Erkundungen beobachten können. Ich glaube, dass die Menschen in prähistorischer Zeit ihren Schaffensprozess auf diese Weise begonnen haben. Es ist ein intuitiver Lernprozess.“ Für ihre Schüler erschafft sie einen Raum, in dem sie lernen können, ihre natürliche Umwelt ganz genau zu beobachten, zu erkunden und in einen Gestaltungsprozess im Zusammenspiel mit der Natur einzutreten – eine Erfahrung, die für viele Teilnehmer ganz neu ist und zu einem prägenden Erlebnis wird. „Sie tauchen in den Workshops so tief in ihre natürliche Umgebung ein, dass sie, wenn sie das nächste Mal zurück in den Wald kommen, die Natur mit anderen Augen sehen“, sagt sie.